Klein, aber fein... - Der Zwergkärpfling
Pflege und Zucht
Es gibt Fische, von denen man einfach nicht wieder los kommt. Bei mir ist es der Zwergkärpfling.
In der aquaristischen „Laufbahn" sind es doch immer wieder einige Phasen, die wir Fischliebhaber durchlaufen. Mögen die verschiedensten Stationen auch bei dem einen oder anderen nicht in dieser
Reihenfolge sein, so sind sie doch ähnlich oder kommen noch auf uns zu. Bei mir war das etwa so:
1.) Fang und Pflege in oftmals zu kleinen Einmachgläsern
von Kaulquappen, Molchen und Stichlingen
2.) Erstes „richtiges" Aquarium mit Kaltwasserfischen
(Goldfische, Orfen usw.)
3.) Erstes Warmwasserbecken mit einigen Lebendgebärenden
4.) Gesellschaftsbecken mit allen Fischen, die gefielen
(Zwei blaue, drei Gelbgestreifte - viel Lehrgeld bezahlt)
5.) Wieder Lebendgebärende, weniger Arten, ersten Fischnachwuchs
6.) Salmler, sehr nett, doch etwas langweilig
7.) Bärblinge, erste Zuchterfolge mit Danio rerio
8.) Barben: Possierliche Sumatrabarben traktierten alle
Langflosser
9.) Skalare: Majestätisch und gute „Kleinstfischfresser"
10.) Panzerwelse
11.) Labyrinther: dominierende Männchen jagten ihre
Weibchen oft zu Tode
12.) Schmerlen: wahre Stinkstiefel und Streithansel... Jedenfalls
bei mir
13.) Killifische: Auf einmal brauchte man -zig Becken zum
Züchten
14.) Südamerikanische Buntbarsche: Wohin nur mit den
zahlreichen Nachkommen?
15.) Zwergbuntbarsche, als Züchter fühlt man sich jetzt
schon als Könner
16.) Malawi- Boom: Nicht das Schlechteste
17.) Regenbogenfische, konnte man nach dem afrikanischen
Buntbarschboom gut in den großen Becken halten
18.) Welse (Afrika und Asien): Viele dieser Tiere habe ich wochenlang nie in meinem Aquarium gesehen
19.) L-Nr.- Boom: teure Angelegenheit
20.) Krebse, Garnelen und Krabben: Muss man denn jeden
Trend mitmachen?
21.) Lebendgebärende Zahnkarpfen, Wildformen
Halt! Da war doch was! Bei diesen Wildlingen habe ich natürlich auch den Zwergkärpfling gehalten. Hatte ich ihn nicht auch schon bei der ersten und zweiten Phase mit Lebendgebärenden? Sicher, eigentlich habe ich ihn immer irgendwie nebenbei in kleinsten Bassins gepflegt.
Heterandria formosa: vorwitziger Nachwuchs von 0,5 cm
Heterandria formosa (= schön) gehört zu meinen Lieblingsfischen und Stammfischen. Das sind Winzlinge, die man wirklich nur empfehlen kann. Auf unseren Vereinsbörsen hatte ich die Tiere auch angeboten. Dabei musste ich von den Besuchern oft Kommentare wie: „Jetzt verkaufen die hier auch schon Guppybabys" oder „Na, die müssen ja erst noch mal auf die grüne Wiese". Nein, die Besucher hatten einfach nicht erkannt, um welche Fische es sich hier überhaupt handelte. Da die Börsen aber immer größer wurden, kamen auch immer mehr „Wissende". Und so muss ich heute auf jeder Veranstaltung zusehen, dass auch immer genug Zwergennachwuchs zur Verfügung steht. Aber eigentlich habe ich immer genügend Nachwuchs, um die Wünsche zukünftiger Zwergfreaks zu erfüllen. Viele Individualisten sind ganz vernarrt in diese Winzlinge. Gerade durch den jetzigen Trend zu Klein- und Kleinstbecken finden besonders die Garnelenfreunde solche Winzlinge interessant. Welcher andere kleine Zierfisch lässt sich schon so gut mit Wirbellosen vergesellschaften?
Aquaristisch spielten die kleinen Kobolde bisher nur eine untergeordnete Rolle bei uns. In ihrer Heimat den USA (Vorkommen von Südkarolina bis Florida) wissen viele amerikanische Aquarianer gar nicht, was für Kleinode in ihren verkrauteten Seen und Teichen leben.
Ein neonfarbener Intensivfarbschocker ist der Zwergkärpfling nicht. In der Modebranche würde man die Farben eher verhaltene Pastells oder Naturel-Optik nennen. Eine dunkelbraune Längsbinde auf gelb/beige/grauen Grund geht von der Schnauzenspitze bis zur Schwanzwurzel. Über der Längsbinde sind mehrere braun gefärbte Querbinden zu sehen. Der Bauch ist silbrig weiß. Der Ansatz der Rückenflosse zeigt einen dunkelbraunen Fleck. Oft sind auch rötliche Ansätze zu sehen. Die Weibchen zeigen auch auf der Afterflosse einen dunklen Fleck. Die Männchen verfügen nicht über diesen Schmuck. Dafür haben die kleinen Herren für ihre Gesamtlänge ein stattliches Begattungsorgan (Gonopodium).
Bei einer Körperlänge von 2 cm, bei den männlichen Vertretern und den Damen mit 3,5- 4,00 cm, sind letztere auch fülliger in der Gestalt und haben oft ein rundliches Bäuchlein. Heterandria formosa ist auch eines der kleinsten Wirbeltiere der Welt.
Sie sind keinesfalls ängstlich, eher sehr neugierig, deshalb sollte man beim Wasserwechsel schon gut aufpassen, dass nicht so ein kleiner Wicht im Absaugschlauch verschwindet. Pflegen kann man Heterandria formosa schon in den kleinsten Aquarien von 10-15 Liter Wasserinhalt. Wenn man nach einiger Zeit ein gewisses Fingerspitzengefühl für diese Pfleglinge entwickelt hat, lassen sie sich auch in noch kleineren Behältern halten. Den meisten Nachwuchs bekamen die Tiere aber in den stinknormalen Baumarktbecken 54-Liter.
Die Bassins sollten etwa einen 3-4 cm starken Bodengrund aus feinem Sand oder Kies haben. Eine schwache Belüftung mit einem kleineren Schwammfilter/z. B. Billi) darf nicht fehlen. Von Motorfiltern innen oder außen rate ich ab, weil sie viel zu stark sind. Die kleinsten Tiere werden im Filter eingesogen und kommen um. Ich habe die besten Erfahrungen mit den Hamburger Mattenfiltern gemacht, die ich fast auch in allen anderen Becken verwende.
Eine Heizung braucht man nicht. Die Fische gedeihen von 19-26° C. Eine zeitweilige, jahreszeitige Abkühlung des Wassers aus 16 -18° C scheint ihnen sogar ganz gut zu tun. Was unbedingt da sein muss, ist eine gute Beleuchtung, damit einerseits Algenwachstum (für Nahrungsaufnahme) entsteht, andererseits die Wasserpflanzen ordentlich wuchern können - je verkrauteter umso besser. Am besten eignet sich Javamoos und ähnliche Moosarten.
Wasserwechsel mit 40 % wöchentlich ist bei solchen Mini-Becken sicher kein Problem. Wasserwerte brauchen nicht überbewertet werden: PH- wert bei 7 und Gesamthärte von 14-24° C ist angebracht. Als Fischgesellschaft kämen höchstens Corydoras pygmaeus, C. hastatus oder C. habrosus in Frage. Besser ist ein Artenbecken. Ernährungsmäßig ist Heterandria formosa leicht zufrieden zu stellen. Das Futter muss nur klein genug sein. Neben den zuvor erwähnten Algen sind es staubfeines Trockenfutter, lebende Artemia, entkapselte Artemiaeier, Microwürmchen, kleinste Wasserflöhe und Cyclops, welche die Kärpflinge in Form halten.
Bei solch einer guten Pflege braucht man sich keine Sorgen über die Zucht zu machen. Da diese Tiere zur Familie der Lebendgebärenden Zahnkarpfen gehört, findet eine innerliche Befruchtung statt und die Babys werden voll ausgebildet geboren. Anders aber als bei ihren Verwandten, den Guppys, Schwerträgern oder Platys werden die Jungen in einer Wurfperiode von etwa 14 Tagen geboren. Jeden Tag kommen dann in dieser Zeit etwa 1-3 Jungfische zu Welt. Der ganze Wurf besteht dann aus 10-20 Larven. Es sollen auch schon 30-40 in einer Brut gewesen sein. Ich lasse die Mutterfische einfach im verkrauteten Becken.
Auf gar keinen Fall sollte man die Mütter rausfangen und in diese furchtbaren Ablaichkästen setzen. Kannibalismus, wie es in der Literatur oft beschrieben wird, konnte ich bei meinen Zwergkärpflingen nie feststellen. Wahrscheinlich verschwanden die Jungfischchen bei diesen Pflegern nur aus Futtermangel. Artemia und Staubfutter wird sofort beachtet und gefressen. Ich habe sehr gute Erfahrungen mit feinsten Fischbrutfutter mit 10% Artemiazusatz eines namhaften Herstellers. Schon nach etwa 10 Wochen sind die weiblichen Nachkommen bereits geschlechtsreif, die Boys schon nach sieben Wochen.
Alles in allem ist der Zwergkärpfling ein pflegeleichter Fisch, auch schon für den fortgeschrittenen Anfänger, der das Individuelle sucht. Und nicht vergessen: Klein... aber fein...
Viel Erfolg bei Pflege und Zucht!
Reinhold Wawrzynski