Unser Hauswels Clarias angolensis
Es war Liebe auf den ersten Blick. Im Sommer 1972 sah ich diesen Fisch zum ersten Mal lebend. Zuvor hatte ich ihn wohl schon einmal auf den damaligen Schwarz/weiß-Fotos in DIETER VOGTS Miniheftchen WELSE und auch im STERBA bewundert.
Nun war er vor mir: In einem Gartencenter bei Minden/Westfalen entdeckte ich ihn in einem kahlen 100 Liter Becken mit etwa 50 Goldfischen zusammen. Die inkompetente Verkäuferin, aus der Frischblumen-Abteilung, machte die Pausenvertretung und war ganz begeistert, dass ich den Ladenhüter kaufen wollte. "Den können Sie für 5.- DM haben." (es waren noch DM -Zeiten ;-) "In einem anderen Becken hat er schon alle Neonfische aufgefressen", meinte die Angestellte. Wir wurden uns schnell handelseinig.
Zu Hause kam der Wels in ein 40-Liter-Aquarium. Was hatte ich mir da jetzt eigentlich eingefangen? Ein Wels war es ja offensichtlich, sicher auch ein Raubwels. In der vorerst erwähnten Literatur fand ich dann auch die passende Beschreibung: Clarias batrachus aus der Familie der Kiemensackwelse, in Deutschland auch Wanderwels genannt. Später tauchte immer mehr der Populärname Froschwels auf.
Die Familie der Clariidae, heimatlich aus Afrika und Asien stammend, verdankt ihren deutschen Namen einem zusätzlichen Luftatmungsorgan, dem Kiemensack. Ganz grob kann man die Atmung der
Tiere etwa mit der von den Labyrinthern vergleichen. Ähnlich wie diese können die Welse auch in Gewässern mit sehr wenig Sauerstoffgehalt leben. So gehen die Fische in der Natur nicht selten
nachts an Land und wandern in nahrungsreichere Biotope. In der Freiheit fressen sie alles, was sie bewältigen können.
Die Einführung von Clarias-Welsen ist in den USA strengstens verboten. Ausgesetzte oder entwichene Kiemensackwelse haben sich in den Everglades von Florida massenhaft vermehrt und sorgen für ein Aussterben vieler einheimischer Arten. Auch Landschnecken, Würmer, Frösche und andere Amphibien sind nicht vor ihnen sicher.
Jetzt hatte ich also so ein kleines Ungeheuer bei mir im Aquarium sitzen.
Das Becken hatte einen Höhlenaufbau und gab dem Tier Möglichkeiten, sich zu verstecken.Anfangs war Clarias ziemlich scheu. Doch bald kam der Nimmersatt in ihm durch. Angebotenen Tubifexklumpen, Regenwürmern, Mehlwürmern und Kaulquappen konnte er nicht widerstehen. Der Fisch wuchs und wuchs und die Becken wurden immer größer. Der Wels wurde immer zutraulicher und schnappte Rinderherzstückchen aus meinen Fingern.
Nach etwa zwei Jahren hatte er eine stattliche Länge von 35 cm und ist dann nur noch etwas in der Breite gewachsen. Aufgrund seiner verhältnismäßig „geringen" Größe und besonderen Färbung fand ich in der inzwischen vielseitigeren Fachliteratur nun auch den richtigen Namen. Es handelte sich um Clarias angolensis aus Afrika und die Länge von 35 cm war durchaus korrekt.
Der bis zu 45 cm große C. batrachus kommt aus Sri Lanka, Ostindien sowie Malaysia. Dieser wird meist auch als Albino in den Handel gebracht.Das Farbkleid von C. angolensis ist grau, bräunlich bis Anthrazit. Seitlich verlaufen weiße waagerechte und senkrechte Seitenlinienpunkte. Nie (?) gibt es hier Albinos, immer ist die Wildfarbe auf dem Markt. Der Afrikaner ist auch wesentlich schlanker und eleganter als der etwas bulligere Asiate.
Die Pflege der beiden Arten ist etwa gleich: Becken für ausgewachsene Welse 200 Liter bei Einzelhaltung, bei Vergesellschaftung mindestens 400 Liter. Dunkler Bodengrund mit fest angewurzelten, stabilen Pflanzen und mindestens eine große Höhle. Das Aquarium muß gut abgesichert sein. Deckscheibe besser noch etwas beschweren (Wanderwels!) Der Sauerstoff ist nicht so wichtig, dafür aber eine starke Filterung.
Kiemensackwelse sind zwar auch tagaktiv, laufen jedoch nachts zur Hochform auf. Der gesamte Bodengrund wird nach fressbaren Substanzen durchsucht und entsprechend durchgepflügt. Temperatur: Zimmertemperatur, 18°-30° Celsius wurde ohne Probleme vertragen. Wasserwerte interessieren diese Welse überhaupt nicht. Bei der Haltung sollte man die Gefräßigkeit der Burschen beachten. Futtertabletten (grün und braun), Großflocken. Forellenpelletts, Rinderherz, Futterfische bis 10cm und Muschelfleisch wird von ausgewachsenen Kandidaten gerne genommen.
Etwa 1977, C. angolensis war in Top-Form, wurde mir auf einer Ausstellung in Sarstedt bei Hannover ein Clarias batrachus, Albino, angeboten. Bei dem Preis von 40,- DM konnte ich nicht widerstehen. Bin ich wohl damals übers Ohr gehauen worden? Egal, der Fisch kam mit.
Da der Wels damals gerade allein in einem 350-Liter- Bassin lebte, kam nun der Albino als Gesellschaft dazu. Das war schon ein prächtiger Anblick: C. angolensis Grau/Anthrazit und C. batrachus etwas geisterhaft, albinoweiß mit roten Augen. Die Größe der Tiere war 35 und 45 cm. C. batrachus übertraf noch seinen Kollegen an Gefräßigkeit. Das Tier war so gierig, dass es sich sogar selbst in die eigene Schwanzflosse biß und diese zerfetzte, in der Annahme, dass es sich hier um bewegte Beute handelte.
Das Ganze ging nicht lange gut. Eines Morgens lag C. angolensis, am ganzen Körper zerschunden, in einer Ecke seines Aquariums. Die Flosen bestanden nur noch aus Stummeln. Ich wollte ihm schon den "Gnadentod" geben, aber ich brachte es nicht übers Herz. Der kranke Fisch wurde in ein anderes Becken untergebracht und sorgfältig beobachtet und gepflegt. Und siehe da, nach ein paar Tagen hatte C. angolensis sich schon wieder etwas erholt, es ging ihm immer besser, die Flossen wuchsen wieder nach und nach einigen Wochen war er wieder der Alte.
Der Albino wurde dann nach einem Inserat in der DATZ von einem Welsfreak aus dem Ruhrgebiet abgeholt.
Im Laufe der Jahre hatte ich meinen Hauswels auch mit anderen Fischen vergesellschaftet.
Es gab keine Probleme mit großen südamerikanischen Cichlidenwie Cichlasoma- oder Malawibarschen, 25 cm großen küssenden Guramis oder 20 cm langen Rotfedern. Natürlich immer nur mit einer Art vergesellschaftet.
Hier die Vergesellschaftung mit Malawi-Buntbarschen, die ja in den 1970er-Jahren einen Boom auslösten. C. angolensis steht in typischer Ruhehaltung rechts neben der Riesenvallisnerie.
Einige Besonderheiten konnte ich während der jahrelangen Haltung feststellen: Hatte sich das Tieres überfressen, „übergab" es sich und fraß dann viele Tage nicht mehr. Zwei bis drei Mal im Jahr wechselte der Fisch seine Farbe. Aus dem unifarbenen Grau wurde dann für 1-2 Tage eine weiß/wolkigfarbene Zeichnung über den ganzen Körper. Danach wurde dann wieder monatelang Uni getragen. (Laichfärbung?)
Beim Herausfangen großer Kiemensackwelse sollte man glatte Gefäße wie 10-Liter Eimer oder sehr große Plastikbeutel/Säcke verwenden. In allen Netzen verhaken sich die Fische mit ihren starken Brustflossenstacheln. Der Wels schlägt dann sehr stark und wild um sich. Hat man den Fisch dann noch nicht ganz aus dem Wasser, bekommt der Aquarianer eine ganz schöne Dusche ab. Im Netz und auf dem Trockenen gibt der Wels schnarrende Geräusche von sich, ähnlich wie Dornwelse.
Als ich einmal die Deckscheibe nicht richtig beschwert hatte, ging der Wels nachts an Land. Halb eingetrocknet fand ich ihn am nächsten Tag unter einem Schrank. Er sah bald so wie eine Mumie aus. Aber wieder ins Aquarium gebracht, war er in den nächsten Tagen wieder normal. In der Natur könnte vielleicht einmal auch so etwas Ähnliches passieren.
Über 18 Jahre war der Wels mein/unser Haustier. Bedingt durch einen kurzfristigen, beruflichen Wohnungswechsel nach Hannover konnte ich nicht alle meine Aquarien in der neuen kleineren Wohnung unterbringen. Schweren Herzens übergab ich das Tier einen befreundeten Welsliebhaber in Meerbeck bei Stadthagen. Aber bereits nach einem Jahr lag der Fisch eines Tages bei meinem Freund aus unbekannten Gründen tot in seinem Becken. Vielleicht hatte ihn der Schlag getroffen. In den folgenden Jahren habe ich immer wieder Welse, auch größere Arten gehalten. Aber an keinem Fisch hatte ich so viel Freude wie an Clarias angolensis.
Vielleicht sind Sie jetzt etwas auf den Geschmack gekommen, dass man auch „handfeste Burschen" ganz gut halten kann. Über eines sollte man sich aber bewußt sein: Diese Pflege muß dann jahrelang anhalten. Also nichts für „Strohfeuernaturen". Übrigens habe ich bei meinem letzten Besuch in Amerika 2000 in einem Buch eine weiß/schwarz gefleckte Art von Clarias gesehen. Inzwischen sind sie ja auch oft zu bekommen. Vielleicht gibt es ja mal bei mir dann C. batrachus oder C. angolensis Nr. 2?
Nachwort März 2009:
Es ist seit den 1970er Jahren viel Zeit vergangen. Ich lernte per Internet Wolfgang Ros kennen. In der ersten Zeit gab es nur ein Thema: Clarias: per Mail, amTelefon, bei Besuchen. Da hatten sich die richtigen Zwei gefunden. Meinem Freund Wolfgang gelang sogar die Stimmulierung und das Ablaichen seiner Clariidae. Inzwischen hat er sich zu eines der besten C. batrachus Fachmännern entwickelt. Wenn nicht zu dem Besten...
In dem ganz ausgezeichneten Handbuch über "Afrikas Welse" von Dr. Lothar Seegers ist auf Seite 254 Clarias pachynema abgebildet. Dieses Foto sieht meinem Hauswels ähnlicher als jedes andere C. angolensis-Bild. Vielleicht ist mein Wels in der vergangenen Zeit, in der damaligen Literatur, stets falsch beschrieben/abgebildet gewesen... Wie auch immer... Für mich war C. angolensis immer mein Hauswels.
Obige Fotos stammen z.T. aus den 1970er-Jahren und entsprechend ist die Bildqualität. Hierfür bitte ich um Verständnis.
Dieser Bericht von mir wurde im damaligem Monatsmagazin "Das Aquarium" 03/2004 veröffentlicht. Die Folgepublikation, AMAZONAS, hat ihn jetzt wieder freigegeben. Vielen Dank hierfür an den Herausgeber Hans-Georg Evers!
Reinhold Wawrzynski